Otto F. Kernberg
Dozent der Kölner Therapietage 2009

Der Name Otto Kernberg bringt Berufskollegen dazu, in Superlativen zu sprechen. Kernberg wird als einer der führenden und einflussreichsten Denker in der Psychiatrie und Psychoanalyse angesehen und gilt als der am häufigsten zitierte Psychoanalytiker der Welt. Das Ausmaß seiner Produktivität, seines Engagements und seines Leistungsspektrums ist faszinierend. Noch heute absolviert er, Jahrgang 1928, ein ungeheures Arbeitspensum, forscht und entwickelt, schreibt, lehrt. Kein großer psychotherapeutischer Kongress, der sich nicht gerne mit seinem Namen ziert. Otto Kernberg ist mit zahllosen Auszeichnungen, Ehrungen und Titeln hoch dekoriert. Und dennoch ist ihm der unmittelbare, persönliche Patientenkontakt, die eigene therapeutische Arbeit bis heute sehr wichtig geblieben.
Sein umfangreiches Lebenswerk ist gekennzeichnet durch einige herausragende Arbeiten. Als einer seiner wichtigsten entwicklungstheoretischen Beiträge wird die Integration der Objektbeziehungstheorie von Melanie Klein in die amerikanische Ichpsychologie der 50er Jahre angesehen. Seine Weiterentwicklung der Objektbeziehungstheorie fokussiert die Qualität früher Beziehung und Bindung als grundlegend für die Persönlichkeitsentwicklung.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wertete er mit akribischer Genauigkeit unzählige Therapieprotokolle seiner Kollegen aus und leitete aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen eigene psychoanalytische Behandlungsmethoden für Borderline-Patienten ab. Damit lenkte er das Interesse seiner Berufskollegen auf dieses Störungsbild, das zuvor häufig falsch diagnostiziert und unzulänglich behandelt wurde. Auch für andere Persönlichkeitsstörungen gewann er bahnbrechende diagnostische Erkenntnisse aus seinen Untersuchungen.
Er entwickelte eine eigene Behandlungsmethode, die Übertragungsfokussierte Psychotherapie, und führte diese in kontrollierten Studien einer empirischen Überprüfung zu. So wurde er zum Pionier und Verfechter wissenschaftlicher Forschung, der den Versuch wagt, die Psychoanalyse aus dem Nebel persönlicher Wirksamkeitsüberzeugungen auf das Niveau evidenzbasierter Wissenschaftlichkeit zu heben.
Veröffentlichungen von Otto F. Kernberg (PDF)
Das war der Beitrag 2009:
WS 9: Übertragungsfokussierte Psychotherapie bei neurotischer Persönlichkeitsstruktur
Die übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) ist eine aktualisierte Form der psychoanalytischen Psychotherapie. Sie wurde für Patienten entwickelt, die über eine integrierte Identität und überwiegend höhere Abwehrmechanismen verfügen und unter einer Persönlichkeitsstörung leiden, die durch besondere charakterliche Rigiditäten gekennzeichnet ist.
Zunächst soll ein kurzer Überblick über die wichtigsten Persönlichkeitsstörungen dieser höheren Strukturebene gegeben werden. Die Differentialdiagnostik sowie Indikation und Kontraindikation für die Anwendung von TFP bei diesen Störungen wird besprochen.
Strategien, Taktiken und Techniken der TFP werden analysiert. Hierzu werden folgende Aspekte näher untersucht: defensives Vorgehen, Übertragungsanalyse, Gegenübertragung, Charakteranalyse und das Spektrum der interpretierenden Interventionen.
Klinisches Fallmaterial soll das technische Vorgehen illustrieren. Abschließend werden die Unterschiede zu alternativen psychodynamischen Ansätzen skizziert.
31.10.2009, 9:45 – 13:00 Uhr (ausgebucht)
V 5: Mentalisierung, Achtsamkeit, Interpretation und Spaltung
In der psychodynamischen und in der Kognitiv-behavioralen Therapie wurden verschiedene Betrachtungsweisen und Denkansätze zur Selbstreflektion entwickelt. Diese unterschiedlichen Konzepte und deren klinische Implikationen werden am Beispiel ihrer Sicht frühkindlicher und reiferer seelischer Zustände verglichen.
Die wichtige wechselseitige Beziehung zwischen Selbstreflektion und der Fähigkeit zur Integration einander widersprechender seelischer Zustände wird verdeutlicht: Im Zuge der Entwicklung können frühkindliche Spaltungen interpretierend überwunden und in eine höhere Mentalisierungsebene überführt werden. In diesem Zusammenhang werden die beiden miteinander verwandten Konzepte der Empathie und der Einsicht als Bestandteil höher entwickelter Selbstreflektion untersucht.
01.11.2009, 8:30 - 9:15 Uhr